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Interview (Musik)Blättern: Vorheriger Artikel | Nächster Artikel

HASS: Haltung gegen Hetzer

Eine der dienstältesten, deutschen Politpunk-Bands gibt sich einmal mehr die Ehre: Mit "Macht kaputt, was längst kaputt ist" bringen Hass dieser Tage eine brandneue LP namens Macht kaputt, was längst kaputt ist heraus, auf der sie einmal mehr zahlreiche Probleme unserer Gesellschaft aufgreifen. Für das Slam Magazin hatte ich den Auftrag, eine Story über die Band zu schreiben - in diesem Zusammenhang hat sich ein umfangreicheres Interview ergeben, von dem ich Euch hier die aus Platzgründen nicht im Heft untergebrachten Antworten präsentiere. Hass hatten nämlich so einiges zu sagen:

Otti:
Zunächst einmal freut es mich wahnsinnig, dass Ihr nach über 40 Jahren Bandhistorie nicht nur noch aktiv seid, sondern fleißig neues Material auf den Markt bringt. Was sind die Hauptgründe dafür, dass der "Hass" nie wirklich aufgehört hat, zu schwelen?

Karsten:
Es ist ja nicht so, dass sich die Welt in 40 Jahren Bandgeschichte zum Besseren geändert hat. Nach wie vor gibt es immer Situationen, die man kommentieren und besingen kann. Die Quelle des Grauens ist ja quasi unerschöpflich. Den Begriff "Hass" gibt es ja schon so lange die Menschheit existiert. Somit wird es auch immer ein neues Hass-Album geben! :-)

Marv:
Außerdem: Bei derartig geilen Fans, die ich leider erst bei drei Konzerten erleben durfte, wäre aufhören eh keine Option!

Otti:
Nun habt Ihr mit Macht kaputt, was längst kaputt ist eine neue LP am Start. Nach Titeln zu fragen ist doof, ich machs trotzdem: Welcher philosophische Ansatz steht denn hinter dem Namen der Platte?

Peter:
Ist einfach eine coole Wortspielerei bezogen auf die Scherben und Rio Reiser, welchen wir sehr verehren, und passt wie Faust aufs Auge in die heutige Zeit. Lässt aber auch jedem viel Spielraum für eigene Interpretationen.

Karsten:
Man könnte den Titel auch mit "Kaputtmachen für einen Neubeginn" deuten, wenn man so will.

Otti:
Auf der anderen Seite, wenn man nun die linke Szene und auch die Punks der Gegenwart betrachtet, was sind die Stärken und Schwächen selbiger?

Karsten:
Die "linke Szene" findet in der breiten Masse ja nur noch Beachtung, wenn irgendwo auf einer Demo wieder Randale gemacht wird. Der eigentliche Grundgedanke, ein eigenes Universum zu schaffen, das sich von der Masse abhebt, "anders sein" zu dürfen, die Gesellschaft kritisch zu hinterfragen, selbst kreativ umzudenken und aktiv zu werden, der DIY (do-it-yourself) - Gedanke, der besonders die 70er und 80er so geprägt hat, rückt immer weiter in den Hintergrund. Ich meine damit natürlich auch, wenn z.B. Bands alles, von Musik, Artwork, Vermarktung, Konzerte, Merchandise etc. selber machen. Das wird heutzutage alles viel mehr auf Externe abgewälzt. Das war früher anders. Und dann gibt es mittlerweile noch Regeln innerhalb der Szene, die befolgt werden müssen, denn sonst bist Du draußen. Zum Beispiel, ob man jetzt Fleisch isst oder sich lieber vegetarisch ernähren will - bei der "falschen" Antwort gehört man dann u.U. ganz schnell nicht mehr dazu.

Otti:
Subjektiv habe ich das Gefühl, dass Politik und klare Kante in der Musik ganz allgemein sehr nachgelassen haben. Wie nehmt Ihr das wahr? Und wo seht Ihr die positiven Beispiele dafür, dass Künstler nach wie vor "etwas zu sagen haben"?

Karsten:
Von deutschsprachigen Mainstream-Künstlern kommt nach wie vor erschreckend wenig, bzw. fast schon gar nichts. Die suhlen sich alle in ihrer Bequemlichkeit und vermeiden es, strategisch irgendwo anzuecken.
Feine Sahne Fischfilet sind für mich einige der wenigen Ausnahmen, die an vorderster Front versuchen, dagegen anzugehen und mittlerweile gleichzeitig eine große Masse ansprechen können. Aber das ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man bedenkt wie viel mehr Gegenwind aus der deutschsprachigen Szene kommen müsste - gerade von den größeren Acts.

Marv:
Nicht nur die Zeiten, auch der Ton hat sich massiv verändert. Gerade durch den Einzug der AfD in den Bundestag ist die Sprache deutlich rauer geworden und erinnert in vielen Bereichen an dunklere Zeiten. Die Rattenfänger sind ziemlich geschickt darin, leichte Antworten auf komplizierte Sachverhalte zu geben. Dabei sind es immer Minderheiten, die als Ziel ihrer Attacken herhalten müssen. Es ist wichtig und richtig, ganz klar Haltung gegen diese Hetzer zu beziehen. Persönlich würde ich mir von vielen Bands deutlich mehr Engagement im Kampf gegen rechts wünschen.

Otti:
Während ich an diesen Fragen arbeite, sind gerade die Brände im Flüchtlingslager auf Lesbos ein großes Thema in den Medien. Bei Eurem Song Menschenhasser kommt da unweigerlich die Frage auf, wieviel Hass und Verachtung muss man in sich tragen, um Menschen, die sich nach einer besseren Existenz sehnen, im Meer verrecken zu lassen, und diejenigen, die überleben, unter menschenunwürdigen Umständen in "Lagern" einzupferchen. Was sind Eure Gedanken dazu?

Marv:
Wenn man sieht, dass in kürzester Zeit Milliarden an Spendengeldern für Notre-Dame zusammen kommen, aber auf der anderen Seite es nicht möglich ist, ein paar tausend Flüchtlinge aus Moria in Europa verteilt aufzunehmen, dann zeigt sich, in was für einer paradoxen und kranken Welt wir leben.

Karsten:
Ich verstehe nicht, warum wir es nicht schaffen, Hilfe für etwa 13000 Menschen anzubieten. Ich finde das schlimm. Armes Europa!

Otti:
Bei all den schweren und wichtigen Themen, die sich auf Macht kaputt, was längst kaputt ist finden - wieviel Platz hat Humor auf der Scheibe, aber auch in der Welt von Hass im allgemeinen?

Karsten:
Wir sind eigentlich ein entspannter, positiv gestimmter Haufen der zusammen Spaß haben will und kann.

Otti:
Ganz allgemein kann man sagen, dass Hass zu den prägendsten Bands der deutschen Punkgeschichte gehört und auch so manche wegbegleitende Formation überdauert haben. Worauf seid Ihr bezüglich Eurer Band besonders stolz?

Karsten:
Wir haben immer unser eigenes Ding gemacht und uns nie verbiegen lassen. Darauf dürfen wir stolz sein.

Otti:
Gibt es im Gegenzug auch eine Entscheidung, die Ihr bereut?

Peter:
Natürlich. Das bleibt über all die Jahre nicht aus, dass manchmal auch mal nicht so gute Entscheidungen getroffen wurden. Selbst nach so langer Zeit gibt es immer noch Sachen welche wir dazu lernen bzw. verbessern können.

Otti:
Und wo wir schonmal dabei sind: Wie nehmt Ihr den Umgang von Politik und Gesellschaft mit der Kultur in der aktuellen Krise wahr?

Karsten:
Da kommt viel zu wenig Unterstützung, und die Thematik wird auch kaum angesprochen und findet auch in den Medien wenig Beachtung. Freunde von mir sind hauptberuflich in der Veranstaltungsbranche tätig, die sind jetzt fast alle arbeitslos, bzw. sind, wenn sie Glück haben, in Kurzarbeit.
Uns als Band trifft die Krise allerdings weniger hart weil wir alle anderweitig beschäftigt sind, anderen Jobs nachgehen und wir finanziell nicht auf die Band angewiesen sind.

Otti:
Kommen wir zum Schluss nochmal zu den schönen Dingen im Leben: Was sind die Getränke, Speisen und musikalischen Acts, die zu einer guten Party mit den aktuellen Hass-Mitgliedern gehöen?

Karsten:
Tschechisches oder fränkischer Bier, mein Chilli und Neil Young.

Otti:
Und da Ihr ja auch aus dem Pott kommt: Was sind für Euch die drei schönsten Aspekte des Ruhrgebiets und seiner Bewohner?

Karsten:
1. Eine gewisse "Leben-und-leben-lassen-Mentalität"
2. Kulturelle Vielfalt, bzw. die Notwendigkeit viele verschiedene Kulturen miteinander in Einklang zu bringen
3. Landschaftliche Vielfalt, von Berg und Tal bis flach mit Bach!

facebook.com/hass.punkrock

09/24/20 by Otti
HASS in unserer Band- und Künstlerdatenbank

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