Die ostwestfälischen Folk-Metaller Harpyie haben vor kurzem ihr fünftes Studioalbum Aurora veröffentlicht. Im Voprfeld dessen habe ich gleich zwei Interviews mit der band geführt, um daraus einen Studioreport und eine Story für die letzten beiden Aussagen des Legacy-Magazins zu verfassen. Dabei kam soviel spannendes Material zusammen, dass ich beschlossen habe, alles, was nicht ins Heft gekommen ist, hier zu einem "Frage/Antwort"-Interview zusammenzufassen. Und das ist einiges!
Otti:
Euer neues Album Aurora ist nun komplett unter Dach und Fach und mittlerweile auch veröffentlicht. Wie habt Ihr die Zeit zwischen Studioarbeit und Veröffentlichung bisher verlebt?
Aello:
Sehr stressig! Es steht immer viel an. Da wir eine Band sind die sehr viel gerne selbst macht und auch das nötige Know How in seinen Reihen hat, sind wir natürlich unter Dauerfeuer. Musikvideos wurden gedreht, Artworks designt, Werbemaßnahmen erstellt. Es ist immer eine spannende Zeit. Das ist aber auch gut so. Man ist so euphorisch wenn ein neues Album kommt. Das Feuer muss man dann nutzen.
Otti:
Euer letztes Studioalbum war ja Anima. Was waren rückblickend die Dinge, die ihr bei den Aufnahmen seinerzeit neu dazu gelernt habt?
"Seit einiger Zeit sind wir alle glücklich miteinander verheiratet."
Aello:
Anima war ein ganz wichtiges Album für unsere Evolution. Wir haben uns gerade im Songwriting dadurch stark weiterentwickelt. Simon Michael (StS) und Stephan Ernst (Mein Vocalcoach) haben uns sehr stark durch ihr Coaching unterstützt und uns aber auch klar unsere Defizite aufgezeigt. An denen haben wir seitdem hart gearbeitet und wir haben bei Aurora versucht wirklich alles umzusetzen was wir gelernt haben.
Otti:
Und was habt Ihr dieses Mal anders gemacht, als bei den Aufnahmen zu Anima?
Aello:
Wir haben uns lange zusammengesetzt und über ein Konzept gesprochen und haben schlussendlich eine ganz simple Variable dafür eingesetzt. Wir haben uns jetzt 5 Alben lang auf die Musik konzentriert. Jetzt soll sich einmal die Musik auf uns kornzentrieren. Sprich, wir wollten dieses Mal nur das machen, was allein uns gefällt, was wir schon immer mal machen wollten und wollten auf alle Impulse von außerhalb und alle Regeln pfeifen. Das haben wir getan und es war gut so. So haben wir zwar kein durchgehendes thematisches Konzept, aber dafür eine sehr aufregende Mischung an Musikstilen. Dies geht über dem modernen Metal oder Metalcore bis hin zu 80er Jahre Rock. Also wirklich eine Essenz aus dem, was wir selbst auch gerne mögen. Aurora hat diesmal gezeigt, dass sie teilweise sehr verschieden sind. Wir haben einige Gemeinsamkeiten wie Rammstein, In Flames oder Subway to Sally. Aber dann driftet es auch schon sehr weit voneinander weg. Ich höre aktuell viel HipHop und Pop. Das fließt bei uns allen natürlich auch mit rein und man ist ja auch unterbewusst inspiriert.
Otti:
Wenn Ihr das Album nun mit einem ersten Abstand betrachtet, was zaubert Euch diesbezüglich ein Lächeln auf die Lippen?
Aello:
Die Freiheit die wir uns diesmal selbst gegönnt haben. Wir konnten experimentieren, andere Einflüsse einbringen und einfach mal nur das machen was wir selber wollten. Das war bisher nicht so. Ich finde das hört man den Liedern an.
Otti:
Eine wichtige Hilfe war ja laut Eurer Aussage Simon Michael von Subway To Sally. An einem konkreten Beispiel festgemacht, was wäre denn ohne seine Unterstützung anders gelaufen?
Aello:
Simon hat diesmal bei uns Co-Produziert und die Sounddesigns entworfen und komponiert. Das brachte alles nochmal auf eine ganz andere Ebene. Ohne Simon würde das Album nicht so klingen wie es jetzt klingt. Die Zusammenarbeit mit Simon ist immer ein Gewinn.
Otti:
Was waren die witzigsten Momente beim Songwriting und/oder den Studioarbeiten?
Aello:
Das Schlimme ist, dass die meisten lustigen Sachen für alle andere Menschen nicht lustig sind. Das hat den Grund, dass vieles bei uns sehr musikwissenschaftlich ist und aus vielen Diskussionen heraus oft ein witziges Durcheinander entsteht. Zum Beispiel hat mir Kayran mal seinen Song Inferno geschickt und ich sollte mir mal etwas dazu ausdenken. Ich habe das Lied völlig missverstanden und die meistens Parts einfach verwechselt. Am Ende kam dann der Song heraus, wie er jetzt ist. Das war ein Zufall und auf keinen Fall geplant. Ich bezweifele aber, dass viele Menschen über sowas lachen können. Wir sind Nerds.
Jean:
Ach, ich glaube da gibt es schon 1-2 Dinge über die sich auch die Fans amüsieren würden. Ich mache mir z.B. manchmal den Spaß, bei den Aufnahmen die schrägsten Outtakes abzuspeichern und aus dem Regieraum heraus die nicht anwesenden Bandmitglieder mit diesen zu versorgen. Quasi als Beweis, dass wir hier auch arbeiten und nicht nur Blödsinn machen.
Otti:
Generell gibt es ja Bands, die mit komplett vorbereitetem Material aufnehmen, und solche, die im Studio viel probieren und entwickeln. Zu welchen gehört Ihr? Und wie wirkt sich das gerade auf Eure Arbeit aus?
Aello:
Bei Aurora haben wir uns bewusst für beides entschieden, indem wir so viel wie möglich selbst machen wollten. Natürlich ist eine gute Vorproduktion entspannter, wenn es ins Studio geht, aber wir wollten kurzfristiger Kreativität, bzw. Spinnerei, nicht im Wege stehen. Oft kommen in solchen Situationen die "Magic Moments". Und die möchten wir nicht von vornhinein ausschließen.
Otti:
Spielt Ihr lieber "Live" oder Instrument by Instrument ein? Und was sind die Vor- und Nachteile beider Varianten?
Aello:
Also wir haben uns mittlerweile darauf verständigt, dass wir lieber "peu à peu" alles einspielen. Das sorgt erstens für eine geringere Fehlerquote und zweitens können wir nachträglich noch kreativ werden und einzelnes ändern. Wir haben nie viel davon gehalten, uns durch im Vorfeld zu fest geschnürten Korsetts das Leben selbst schwer zu machen. Und dass das Gefühl darunter leidet, das können wir beim besten Willen nicht nachempfinden. Sieh es so, auf der Bühne sehe gerade ich kaum jemanden von den anderen. Alles spielt sich hinter meinem Rücken ab.
Jean:
Die Aufnahme im Overdub-Verfahren (also Instrument für Instrument) ist für uns, und auch die meisten anderen Musiker, die ideale Form der Studioproduktion. Damit haben wir während des gesamten Prozesses die Möglichkeit weitere kreative Eingriffe vorzunehmen und müssen uns nicht mit "das ist jetzt so" zufriedengeben, sondern können kompromisslos sein.
Otti:
Abgesehen von den Arbeiten am neuen Album, was sind sonst die wichtigsten Dinge, die Ihr als Band in letzter Zeit durchlebt habt?
Aello:
Livekonzerte und Stabilität. Seit einiger Zeit sind wir alle glücklich miteinander verheiratet.
Tatsächlich war es bis zu dem Einstieg von Jean so, dass Harpyie immer wieder an Zwischenmenschlichkeiten, hohem Druck von außen und verminderten Selbstwert zu kämpfen hatte. Dies ist seit einiger Zeit endlich vorbei und wir sind eine richtig harmonische und produktive Einheit geworden. Zudem kam eine richtig hohe Frequenz an Konzerten, Festivals und Touren, bei denen wir uns unsere Hörner abstoßen konnten, und vor allem Routine bekamen. Wir fühlen uns nach den letzten 8 Jahren Gefühlschaos jetzt endlich stark und erwachsen. Unsere Fanbase wird größer und größer und das Booking ist freizeitausfüllend.
Zudem kam Aurora mit seinen ganz speziellen Anforderungen an uns. Wir haben noch nie ein Album geschrieben, an dem alle Bandmitglieder mitgewirkt haben. Eingespielt haben wir die Alben alle, aber eben nicht komponiert. Dies bedurfte eines wirklich komplizierten Workflows und ich bin immer noch beeindruckt, wie gut das Miteinander funktioniert hat. Harpyie kann im Studio wirklich alles sein. Tatsächlich durchlaufen wir meistens eine ganze Menge von Emotionen. Was uns immer ganz wichtig ist, ist dass das Feuer brennt. Da darf es auch schonmal sehr grob vor sich gehen. Ja, manchmal möchte ich echt von Großküchenjargon sprechen. Wichtig ist, dass die Reibung die entsteht, auch zu kreativer Energie wird. Und meistens ist das auch der Fall. Aktuell sind wir ja in der finalen Phase und da ist die Aufregung schon groß. Man möchte keinen Fehler machen und ist natürlich auch ein bisschen ungeduldig. Aber wir schaffen es immer wieder unseren musikalischen Anspruch nicht mit unserer Freundschaft zu vermischen. Das ist manchmal gar nicht so leicht. Das alles ist eine große Herausforderung gewesen.
Otti:
Und soweit schon bekannt/geplant: In welchem Rahmen dürfen Fans das neue Material in diesem Jahr live erleben?
Aello:
Wir sind dieses Jahr wirklich viel unterwegs. Wir spielen auf dem Wacken Open Air, dem Alpen Flair, dem Summerbreeze oder der CCXP in Köln, um nur ein paar der Festivals zu nennen.
Dann gehen wir im Herbst mit Tanzwut auf Tour. Im Frühjahr geht es dann gleich weiter auf eine eigene Tour. Darauf freuen wir uns besonders.
Otti:
Bands aus Eurem musikalischen Segment sind in der Regel größer, weil einfach mehr Instrumente eingesetzt werden. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus, wenn mehr Leute zum Gesamtgefüge gehören?
Aello:
Natürlich klingt das toll und ist opulent auf der Bühne. Wir waren auch mal zu siebt. Die Band hat sich dann aber gesund geschrumpft. Wir stellen momentan fest, dass gerade logistisch ein großer Vorteil ist, wenn man weniger Köpfe hat. Denn wir müssen den ein oder anderen Mitarbeiter auch beschäftigen und so ein Neunsitzer Bus hat halt auch einfach nur 9 Sitze.
Beim Songwriting ist es auch schwieriger und sehr zeitintensiv. Wir sehen aktuell große Vorteile darin eine harmonische fünfköpfige Band zu sein, die aber trotzdem dank eines Samplers nicht auf die Folkelemente verzichten muss.
"Jutta ist uns sehr wichtig."
Otti:
Wie handhabt ihr das eigentlich mit Merch und co - habt ihr da eine feste Crew, und wenn ja, wem möchtet Ihr da gerade mal richtig danke sagen?
Aello:
Wir haben tolle Mercher. Vorne Weg Stephan und Stefan. Tolle Menschen mit Blick fürs Wesentliche und einem Verantwortungsgefühl für die Band. Denn diese Verantwortung haben sie. Sie machen einen tollen Job und da kann man schon mal klatschen. Außerdem sind es sehr gute Freunde von uns.
Otti:
Und wer waren ansonsten bisher die wichtigsten Stützen für Harpyie, neben den Bandmitgliedern?
Aello:
Wir haben ein tolles Label (Metalville), einen großartigen Verleger Enno Heymann, unseren Lieblingsbooker Kai Michelmann, unsere Buchahltung Peti, unseren Fanclub die Sturmvögel, und ganz vorne weg eine besondere Frau, die uns mit ihrer Kreativität und ihrer unfassbar starken Mithilfe dahin begleitet hat wo wir stehen. Unsere Jutta. Ein Tausendsassa. Sie schneidert unsere Kostüme, bastelt Videorequisiten, Bühnenbilder, näht Harpyie Taschen, kocht Catering, und und und. Das würde ewig dauern. Jutta ist uns sehr wichtig.
Otti:
Da Euer Bandname ja eine entsprechende Affinität verrät: Welche Geschichten aus Mythologie und/oder Fantasy haben Euch besonders geprägt?
Aello:
Prometheus und die Ilias. Große Geschichten mit starken Charakteren und martialischen Inhalten. Voll unser Ding.
Otti:
Dazu passend: Welche Persönlichkeiten aus der Menschheitsgeschichte empfindet Ihr als besonders beeindruckend?
Aello:
Oh da haben wir viele. Das sind oft sogar auch Schurken, Monster und Verbrecher. Das sind spannende Persönlichkeiten über die wir auch schon Lieder geschrieben haben. Rasputin, Dr. Mengele, Amundson & Scott, Edgar Alan Poe, Viktor Frankenstein, Kaptain Ahab. Wir interessieren uns vor allem für menschliche Abgründe, Motivationen hinter fragwürdigen Gräueltaten, Gruselgeschichten und große Abenteurer.
Otti:
Und zum Abschluss: Wenn Ihr mit Eurer Musik einen mächtigen Zauber heraufbeschwören könntet - wofür würdet Ihr diese Kraft einsetzen?
Aello:
Sehr abgedroschen aber wichtig: bedingungslosen Frieden!
www.harpyien.de
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