Das Schöne an Debüt-Alben ist zum Einen, dass es kein Vergleichsmaterial gibt. Man
kann vollkommen unbehaftet an die Platte rangehen und sich mehr überraschen lassen,
als wenn man den Vorgänger noch im Ohr hat. Zum Anderen ist es aber auch immer
wieder schön zu sehen, wie Bands sich formieren und wie sie versuchen aus der Masse
herauszustechen. Harpyie haben das auf jeden Fall geschafft. Das Septett
kommt aus Nordrhein-Westfalen mit folkischen Klängen daher, gepaart mit metallischen
Gitarren. Diese Mischung kennen wir von Bands wie Saltatio Mortis oder
In Extremo und so bleibt der Vergleich auch nicht aus. Entscheidend dabei ist
aber Sänger Aello, der Windboes´s Stimme. Wer sich SaMo nicht mehr anhören
kann, weil da der kratzige Gesang zu prägnant ist, der dürfte an Harpyie
seinen Spaß haben.
Blindflug heißt die erste Platte und muss natürlich auch mit einem Intro
starten, dass einfach Windgeräusche impliziert und sich dann in leisen
Dudelsack-Klängen auflöst. Passt super ins Konzept, der Name der Band bezeichnet ja
auch einen der größten Greifvögel, hier anscheinend im Blindflug auf der Reise durch
die Welt. Intros kennt man, erwartet man und kann man auch getrost weiterschalten,
vor Allem bei Harpyie darf man sich dann auch auf Hundertdreyssig
freuen. Die Gitarren hauen ordentlich metallisch rein, dabei tänzelt die Geige
um die schweren Klänge leichtmütig herum. Das Schlagzeug kommt leider nicht ganz
durch und klingt unglaublich dumpf. Aber wie immer schieb ich das jetzt einfach mal
auf den Mix. Der Bass ist nämlich ziemlich klar und gibt dem Ganzen einen soliden
Unterton. Darüber dann gute deutsche Reime mit einprägsamen Melodien und der
Geschichte des Rattenfängers und da hat man schon einen Hit kreiert.
Leider sind die gehaltenen Töne von Aello ziemlich dünn und klingen eher wie aus
Zufall getroffen als bewusst draufgesetzt. Aber Übung macht ja bekanntlich den
Meister.
Weiter geht es mit Niemand Meer. Hier dürfen die Dudelsäcken an die ersten
Linie und die Saiteninstrumente bilden das Fundament. Musikalisch treibend und
gesanglich spannend kommt dieser Song daher. Der Refrain hat definitiv
Mitsing-Potential und geht mit klaren Vocals und schwebenden Sackpfeifen sofort ins
Ohr. Wer jetzt aber denkt, das Metal-Alter hat vorne eingeschlagen und ist dann
vorbei, der erlebt bei Die tanzende Schlange eine Überraschung. Während die
Dudelsäcke selbst ziemlich rockig reinpfeifen, geben die Gitarren ihren
schwermetallischen Senf dazu, unterstützen den beschwörenden Gesang und fordern, ganz
getreu dem Namen des Songs, zum wilden Tanze auf. Wie auch bei dem Vorgänger hauen
die Strophen von der Schnelligkeit immer ordentlich rein und lösen sich zwischenzeitlich
dann gesetzt und schwer auf. Erinnert an Schandmauls Bis zum Morgengrauen,
nur viel treibender.
Wie zu erwarten ist der Namensgeber des Albums, Blindflug, ein perfekter
Repräsentant der Band. Hier gibt es alles, was der Hard-Folk-Fan gerne hat.
Eindeutige Linien der altertümlichen Instrumente, ein perfektes Spiel von Gesang und
Saiten in der Strophen, antreibender Pre-Chorus, der die Combo wieder komplett
vereint. Wenn dann Aello "Wir sind im Blindflug ohne Sicht" herausschmettert, dann
kann man sich spätestens beim zweiten Refrain nicht mehr halten. Ein wunderschönes
Geigensolo mit einer wirklich knalligen Bassline dahinter rundet den Song dann
schlussendlich ab. Geiler Track!
Bei manchen Bands, vor Allem im folkig-mittelalterlichen Bereich, hat man als
mit vielen Mitgliedern öfters das Problem, das manche Instrumente
ein bisschen zu kurz kommen. Harpyie dagegen haben eine gute Mischung gefunden
und so darf auch der Bass immer mal wieder in den Vordergrund. Vor Allem bei
Lunas Traum würde der Gesang nur halb so gut kommen, wenn nicht die Tiefe des
Basses die Stimme so unterstützen würde. Wirklich gut gemacht. Wem der vorherige
Sound bisher gefallen hat, dem misfallen auch Hexe und Halunken und König
und Bettler nicht, vor Allem Letzerer regt zum genauen Hinhören an, da hier mit
wirklich interessanten und fast disharmonischen Geigenläufen gearbeitet wird. Der
Alibi-Akustik-Song darf bei einer traditionell angehauchten Band natürlich auch
nicht fehlen. Leider klingt Legenden nicht so gut, wie man sich das
vielleicht wünscht. Wenn ein Song nur aus Gitarre und Gesang besteht, dann sollten
die Vocals schon perfekt sein. Die Lyrics sind toll und auch die Idee hinter der
Melodie ist wunderschön aber an der Ausführung hapert es leider noch etwas. Dafür
glänzt die Gitarre durchgehend und die Gastauftritte von Geige und Dudelsack
macht Legenden zu einer kleinen süßen Pseudo-Ballade.
Während die tieferen und mittigen Töne Sänger Aello wirklich gut stehen, wurden
die Höhe scheinbar nicht ausreichend gearbeitet. Und so beginnt leider der Ender
Irrlichter, etwas schrill bohrt sich die Stimme ins Gehör. Und das ist so
schade, denn im Refrain ist das Arrangement wieder perfekt. Versteht mich nicht
falsch, die Töne sind nicht schief aber die Wohlfühl-Stimmlage liegt etwas tiefer.
Zur Mitte hin wird Irrlichter plötzlich zum Duett. Und OHA! Geigerin Mechthild
Hexengeige klingt super! Vielleicht sollten die zwei öfters darüber nachdenken zu
zweit zu singen, denn die Ergänzung ist wirklich super. Aber genug vom Gesang, der
Rest des Songs überzeugt mit schweren Melodien und ist ein schöner Ausklang der
Platte.
Klar, an einem
ersten Album gibt es meist tausend Sachen, die man besser machen kann, aber mit
der Zeit kommt die Erfahrung. Harpyie haben einen tollen Auftakt geschafft
und auch wenn es kein komplett rundes Album ist, kann Blindflug ordentlich
was. Hey, wer will schon ein gelecktes folkiges Album hören? Wer also auf guten
soliden Folk-Metal in den Fußspuren von Saltatio Mortis und Co. steht,
versehen mit Geschichten über Frauen, Fablen und Gefühlen, der
kann mit Harpyie nichts falsch machen.
Einen Haken gibt es an Debüt-Alben:
Man muss meistens zu lange auf den Nachfolger warten. Aber vor Allem in diesem
Fall darf man jetzt schon sehr gespannt sein!
Anspieltipps
Hundertdreyssig
Blindflug
Irrlichter
Trackliste
01 Gen Siebenbyrgen
02 Hundertdreyssig
03 Niemand Meer
04 Die Tanzende Schlange
05 Blindflug
06 Lunas Traum
07 Hexe und Halunken
08 Legenden
09 König und Bettler
10 Irrlichter
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Veröffentlichung: 01.06.2012
Stil: Folk-Metal
Label: Trollzorn
Website: www.harpyien.de
Facebook: www.facebook.com/harpyien
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