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Interview (Musik)Blättern: Vorheriger Artikel | Nächster Artikel

Schelmish: Viva La Revolution!

Wie vor kurzem bereits in dem Bericht zum Abschlußkonzert der "Hässliche Kinder"-Tour angekündigt, habe ich an besagtem Oktoberabend im Essener Turock mein erstes Live-Interview geführt. Opfer meiner Fragen war dabei eine Band, die mir selbst sehr ans Herz gewachsen ist und deren Musik ich liebe: Schelmish. Für mich war das Interview aufregend und zugleich wunderschön, weil Picus und DesDemonia sich nicht nur als angenehme Gesprächspartner, sondern vor allem als zwei ganz liebe Menschen entpuppt haben, die mich alle vorangegangene Nervosität schnell vergessen ließen. Aber lest selbst, worüber wir uns unterhalten haben:

Nic:
Zuerst natürlich erstmal vielen Dank, das du dir die Zeit nimmst, mir ein paar Fragen zu beantworten.

Picus:
Ja, gern. Dankeschön.

Nic:
Wie gehts dir und der Band denn aktuell so?


"Wir hatten super Auftritte, aber uns haben die ganze Zeit die Kehlkopfentzündungen, Heiserkeit und sowas begleitet."

Picus:
Sehr gut. Ich meine, jetzt so am Ende des Jahres ist man immer ein bisschen erschöpft, weil doch viel hinter einem lag und wir sind alle ganz froh, dass jetzt der ruhigere Teil des Jahres.

(DesDemonia gesellt sich mit einem fröhlichen "Hallo" zu uns und erkundigt sich nach allgemeiner Begrüßung, wie denn die aktuelle Frage war ...)

Picus:
Wie es uns geht war die Frage ... also wir sind alle ein bisschen urlaubsreif ...

DesDemonia:
... der Dampf ist erstmal ein bisschen raus. Wir brauchen Pause, ja. Dextro kann heute auch nicht, weil er wirklich krank ist und darum heut auch nur halbe Kraft fährt. Also wir sind ganz froh, dass wir den letzten Tag der Tour jetzt auch erreicht haben.

Nic:
Kennt ihr denn das Turock schon?

Desdemonia:
Nee, das ist heut unser erstes Mal hier.

Nic:
Ist ja eine ziemlich kleine Bühne, passt das denn so mit allen Mann?

Beide antworten gleichzeitig:

Picus:
Ja, doch.

DesDemonia:
Nee, passt nicht!

(Beide lachen)

Picus:
Aber wir hatten kleinere auf der Tour, das muss man dazu sagen.

DesDemonia:
Ja, in Annaberg Buchholz zB.

Nic:
Ich kann mir fast gar nicht vorstellen, dass das geht.

Picus:
Doch, doch ... das geht schon.

DesDemonia:
Man quetscht sich da eben rauf. Dann ist da natürlich wenig Bewegungsfreiheit, aber man muss sich damit arrangieren. Was will man denn machen? Meckern? Da kann man ja doch nichts mehr dran ändern.

Nic:
Das ist ja heut auch der letzte Termin der Tour. Wie seid ihr denn an sich damit zufrieden?

DesDemonia:
Die Tour selber war mal hoch, mal tief ... wir hatten super Auftritte, aber uns haben die ganze Zeit die Kehlkopfentzündungen, Heiserkeit und sowas begleitet. Darum war es immer sehr spannend, wenn zB Rimsbold nicht singen kann und (Desdemonia flüstert ganz leise und heiser) den ganzen Tag nur so spricht ... dann hat man schon ganz schön Schiss.

Picus:
Aber abends liefs dann doch immer ganz gut ...

DesDemonia:
Ja, er hat sich dann immer freigesungen.

Picus:
Man muss auch sagen: stimmungsmäßig vom Publikum und auch auf der Bühne war es eine ganz lustige Tour - bis heute zumindest - man weiß ja nicht, was noch passiert. Ob sie uns heut noch verprügeln ...

Nic:
Ach, ich glaub Essen wird ganz gut zu euch sein ...

DesDemonia:
Also es gab natürlich Auftritte so wie in Augsburg, da waren wir überhaupt nicht zufrieden mit der Besucherzahl. Dann widerum gab es Auftritte wie in Annaberg-Buchholz. In der Gegend hatten wir irgendwie schon zwei Jahre nicht mehr gespielt und da war der Laden richtig voll. Also es ging hoch und runter - auch mit den Besucherzahlen. Also im Vorverkauf war Essen auch schon recht gut und wir müssen nun einfach schauen, wieviel kommen. Das kann man ja nie so sagen.

Nic:
Also ich hab noch´n bisschen Werbung getrommelt!

DesDemonia:
Ja, sehr gut, danke. Wir können jedes bisschen Werbung gebrauchen! (lacht)

Nic:
Nehmt ihr denn von der Tour ganz besondere Erinnerungen mit? Totale Tour-Katastrophen oder besonders schöne Dinge?

DesDemonia:
Natürlich!

Nic:
Raus damit, was?

DesDemonia:
Ach, es passiert ja auf so einer Tour so viel ...

Picus:
... also in diesem Jahr kann man schonmal sagen, begleitet uns Dextros schwankende Gitarre, die immer mal wieder Probleme gemacht hat auch bei den Auftritten. Sowas sorgt dann auch immer für kleine Schock-Sekunden auch bei den Roadies, wenn von der Gitarre dann gar nichts mehr kam. Direkt am zweiten Tourtag war es dann glaub ich ...

DesDemonia:
in Wilhelmshaven war das ...

Picus:
... da ist die Gitarre dann auch direkt so ausgefallen, das sie auch nicht wieder anging ...

DesDemonia:
... und das beim ersten Stück!

Picus:
... wir haben zwar immer Ersatz dabei, aber dann musste die Gitarre unter der Woche repariert werden. Sowas passiert halt auch, aber immerhin sind wir diesmal von größeren Sachen verschont geblieben.

DesDemonia:
Wir haben sehr viel gelacht auf der Tour, auch das ein oder andere Mal geweint, aber im Großen und Ganzen war sie sehr entspannt, weil wir ja auch nur die Wochenenden gemacht haben. Wir waren nicht mit dem Nightliner unterwegs und haben uns dann zuhause auch mal wieder aufladen können, was Vor- und Nachteile hat. Dadurch zieht sich dann so ein Ding einen ganzen Monat hin, weil man ja immer nur die Wochenenden unterwegs ist, auf der anderen Seite ist es auch wunderbar, weil man kann zuhause einfach mal ausruhen.

Nic:
Akkus aufladen.

DesDemonia:
Ja und die Katze füttern! (lacht)

Nic:
Die ist jetzt also immer ganz allein, das arme Ding?

DesDemonia:
(lacht) Nein.

Nic:
Ihr habt gesagt, ihr kommt jetzt in den ruhigeren Teil des Jahres. Das stimmt ja nicht so ganz. Ihr habt noch Großbritannien vor euch, MPs-Termin, das Bonner Jubiläum ...

DesDemonia:
Also wir mussten leider die England-Tour absagen. Da ist leider mit dem Booking viel falsch gelaufen, was nicht in unserer Macht lag. Wir hatten bis zuletzt noch keine Verträge vorliegen und auf sowas lassen wir uns dann ungern ein. Das war uns dann zu heikel und so mussten wir die ganze England-Tour absagen.

Picus:
Dadurch sind die paar Termine, die wir jetzt noch haben alle so verteilt, dass wir dazwischen auch mal zwei Wochen Pause haben, während das ja im Rest der Saison so war, dass wir jedes Wochenende, Woche für Woche unterwegs waren. Teilweise dann auch zwei Termine an einem Wochenende ...

Nic:
... Rockshow und Mittelalter-Termine kombiniert ...

Picus:
... genau, so hatten wir dann auch schonmal 600, 700 Kilometer in einer Nacht zu fahren und wenn man dann Sonntag Nacht, teilweise auch erst Montag früh total zerschlagen nach Hause kommt, dann ist man doch froh, dass es dann jetzt doch etwas ruhiger wird. Dass man zuhause auch mal wirklich die Reisekoffer auspacken kann.

Nic:
Wie sehen denn eure Vorstellungen für 2011 aus?

Picus:
Ähm, wir machen genauso weiter wie 2010! (lacht)

Nic:
Auch in Bezug auf Veröffentlichungen zum Beispiel?

Picus:
Also, da halten wir uns mit Informationen jetzt erstmal noch zurück. Da wollen wir noch nichts sagen ...

Nic:
Ihr seid da ja auch immer für eine Überraschung gut.

Picus:
Ganz genau.

Nic:
Ihr lasst euch ja musikalisch - gerade was den Rockbereich angeht - ziemlich schwer in irgendeine Schublade pressen. Habt ihr da von Napalm jemals Druck bekommen, dass ihr im Hinblick auf den Erfolg von Bands wie Saltatio Mortis oder ähnlichem euch da musikalisch in ein engeres Korsett pressen lassen sollt?

Picus:
Nein! Das nützt ja keinem etwas, wenn es dann zweimal Saltatio Mortis gibt ...

DesDemonia:
... wie kommst du denn da auf Napalm? Wie passt der Gedanke zusammen?

Nic:
Naja, Napalm ist euer Rock-Label und die Mittelaltergeschichten macht ihr ja selbst, habt damit auch keinen Druck von außen in dem Sinne und könnt euch komplett frei austoben. Wäre aber ja möglich, dass ein Label da andere Ansatzpunkte hat und da andere Maßstäbe setzt, weil sie etwas vom großen Kuchen abhaben wollen ...

Picus:
Du meinst, dass sie uns formen?

Nic:
Genau, ja.

Picus:
Nein. Also natürlich wollen sie was vom großen Kuchen abhaben, sonst müssten wir uns ja ein anderes Label suchen, aber das ist ja eine beiderseitige Sache. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Napalm versuchen würde uns irgendwo reinzupressen, da sie in der Erfahrung mit uns ohnehin gemerkt haben, dass das eh´ niemals funktionieren würde. Wenn die also einen anderen Weg beschreiten wollen würden, der uns nicht gefällt, dann gehen wir den auch nicht. Da könnte jeder sagen, was er will ...

DesDemonia:
Ich weiß schon, was du meinst mit deiner Frage. Wir haben von vornherein Wert darauf gelegt, dass die Musik, die wir machen eben die Musik ist, die wir machen wollen. Die waren sicherlich auch mal ein bisschen unglücklich, weil wir ja ein bisschen mehr in die Punk-Richtung und sie das nicht so mochten. Dann kamen auch schonmal Sätze wie "Hach, ich will ´ne Drehleier drinhaben." Aber weißt du, wenn man einen Song macht und man ist gerade so richtig drin in dem Wahn, dann kannst du sowieso nicht umschwenken und da noch eine Drehleier einbauen. Letzten Endes machst du es so, wie du es willst und präsentierst es auch so und dann können sie das fressen oder nicht. Wenn sie es nicht fressen, ist es nicht mein Pech, ich kanns ja auch noch woanders veröffentlichen oder auch nicht oder nur so ins Netz stellen. Aber wie Picus schon sagte, wir lassen uns da wirklich nichts sagen. Das sollte man auch nicht. Man sollte sich ja nicht aufgeben. Wozu ist denn sonst eine Plattenfirma nütze? Die sollen dich promoten wie du bist und daraus dann das beste machen.

Nic:
Ihr habt ja als Band auch nicht immer leichte Zeiten durchgestanden. Was hält euch denn im innersten Kern so zusammen?

Picus:
Der Wahnsinn! (alles lacht)

DesDemonia:
Also bei ihm ist das der Wahnsinn! Es gibt ja immer so einige Dinge. In erster Linie ist es wahrscheinlich bei Schelmish so, dass wir das leben. Und die, die das leben sind mit dabei, weil sie persönlich auch sehr viel daraus ziehen. Schelmish ist jetzt nicht nur eine Band in dem Sinne, sondern mehr so ein Ding, das sich entwickelt und weiter ausbreitet. Eine Philosophie steht dahinter und ich glaube, dass wir mit dem was wir tun auch Leuten eine Chance geben, die nicht so der Norm entsprechen oder vielleicht verlorene Seelen sind. Wir sind genauso unvollkommen wie jeder von euch und das wird uns nie davon abhalten Spaß zu haben ... solche Gedanken sind da einfach drin. Und wir merken das ja auch immer wieder, dass die Werte einfach so ... man steckt in einer so leichtlebigen, schnellen Welt und ich bin vor anderthalb Jahren aufs Land gezogen und lerne da vieles neu. Der Abstand zum Auf-Tour-Sein und dort hin zurückkommen wird immer größer, weil du da so viele Grundwerte hast, die einfach wichtig sind um einen am Leben zu erhalten. Da braucht man eben Holz, um den Kamin anzumachen und im anderen Moment ist es "ich muss noch was essen, wo ist mein Handtuch?" - diese Gegensätze sind so groß. Die darf man einfach nicht vergessen, wenn man "da oben" steht.

Nic:
Lebt ihr denn dann Landleben in Reinkultur mit diversen Tieren und sowas?

DesDemonia:
Nein, ich bin ja auf Tour. ich hab jetzt erstmal nur ein Haus. (lacht)

Nic:
... und ´ne Katze!

DesDemonia:
... noch nicht, aber Nachbars Katze, mit der hab ich mich angefreundet. Aber ich kann ja keine Tiere haben, solange ich immer wieder weg bin. Wir haben beschlossen, das wir das machen wenn wir irgendwann ganz zuhause sind.

Nic:
... so in 50, 60 Jahren, wenn wir vielleicht auf euch verzichten können und euch in den Ruhestand entlassen ...

DesDemonia:
... (lacht) ach, das is ja süß ... aber ja, vielleicht dann!

Nic:
Die Vorfreude auf so eine Katze ist ja bestimmt auch ganz toll.

DesDemonia:
Ja, die ist groß. Ich möcht so gern auch so eine kleine süße Tigerkatze ... (zeigt auf Picus) ach nee, du hast ´nen Hund!

Picus:
Ja, ich hab ´nen Hund.

Nic:
Ein ganz anderes Thema. Eure Personalfluktuation ist ja auch ein bisschen größer als vielleicht bei anderen Bands. Was würdet ihr sagen, was muss ein Schelm unbedingt haben und was geht gar nicht?

Picus:
Ein Schelm muss loyal sein. Um mal vom Schelm weg und hin zur Band Schelmish zu kommen, wenn man da von Fluktuation sprechen kann: Da ist es so, dass sich einfach bei manchen Mitgliedern, durch ihr Leben und durch Entscheidungen, die sie getroffen haben, die Prioritäten verschieben und wenn das passiert, dann muss der- oder diejenige sich irgendwann mal entscheiden, was er tun will. Schelmish hat und verlangt bei den Leuten, die in der Band sind 100%ige Aufmerksamkeit, das heißt Schelmish kommt immer an erster Stelle. Wenn das in dem Maße nicht mehr funktioniert und derjenige sich - vielleicht auch gezwungenermaßen - andere Prioritäten geschaffen hat, dann muss er die Entscheidung fällen. Dann trennt man sich, jeder geht seiner Wege und alles ist gut. Ja klar, wir bleiben zurück und für uns bedeutet es auch jedes Mal Stress, weil wir neue Leute suchen und einarbeiten müssen und und und. Es ist ja auch nicht einfach - gerade wenn die Fluktuation so hoch ist - das den Leuten dann noch so zu vermitteln, dass sie nicht denken "Was ist das denn für eine Band, in der die ganzen Leute ständig weggehen?" Sondern wie kriegst du das so vermittelt, natürlich ohne Lügen zu wollen, derjenige hat sich halt für etwas anderes entschieden, wir müssen damit leben, sagt noch einmal "Tschüß!" und alles ist gut.

Close Up

DesDemonia:
Mal so als Gegenfrage: Wie sieht es dann nach außen aus?

Nic:
Also es ist schon ungewöhnlich.

DesDemonia:
Ja.

Nic:
Allerdings finde ich, dass es gerade im Mittelalterbereich auch wiederum nicht so ungewöhnlich ist.

DesDemonia:
Das stimmt.

Nic:
Bei "normalen" Bands ist es vielleicht nicht so offensichtlich, aber bei euch und Bands aus dem Bereich ist die Terminbelastung einfach auch so groß, dass sich die meisten wahrscheinlich denken "Der hat dem Stress nachgegeben."

DesDemonia:
Also es liegt sicherlich an mehreren Sachen, einmal ist es natürlich so, dass es im Mittelalter tatsächlich nicht so ungewöhnlich ist, dass die Bands sich alle jedes Jahr neu zusammenwürfeln ... (lacht)

Nic:
Ja, so ein bisschen hat man diesen Eindruck, ja. Frei nach dem Motto "Ach, den kenn ich doch schon von woanders."

DesDemonia:
Richtig, ja. Man sieht die meisten immer hier oder da mal wieder. Im Mittelalter sind es aber auch irgendwie andere Leute. Zum einen ist es sehr schwer so eine große Band zusammenzuhalten. Wenn du mit 8 Leuten unterwegs bist, ist es schon etwas anderes als wenn du mit 4 Leuten in einer Old-School-Rock´n Roll Band steckst, wo vielleicht mal Gitarrist oder Bassist ausgewechselt werden.

Nic:
Da ist ja auch der Anspruch viel geringer, wenn jemand nur ein Instrument beherrschen muss, statt 4, 5 oder noch mehr ...

DesDemonia:
Genau, richtig. Dann ist es zudem so - wir haben außergewöhnliche Instrumente. Die setzen wir dann aber nur bedingt ein - für den einen ist es dann musikalisch nicht genug oder zu strange. Da kommt es schon vor, dass jemand sagt "Nee, die Mucke ist nicht mein Ding" und die gehen deshalb. Dann gibt es aber auch die Leute, die die Zeit in der sie bei uns waren voll genossen und 100% gelebt haben, aber dann kommt plötzlich der Moment in dem der gemeinsame Weg einfach zu Ende ist, denn Schelmish frisst sehr viel Zeit und Energie und auch viel Lebensfreiheit und -raum. Denn auf der einen Seite sind wir natürlich die Band, aber auf der anderen Seite sind wir auch ein Unternehmen und leben auch davon, das heißt jeder muss auch außerhalb der Auftritte noch zuarbeiten. Das heißt es ist wie ein Job und dieser Job ist dann auch manchmal sehr hart. Einmal muss man unter der Woche deinen Job machen - da ist soviel zu tun - es müssen Flyer vorbereitet werden, Picus macht die ganze Internetsache, dann muss der Shop betreut werden, jeden Tag kommen Zahlungen, die Pakete packen ... all solche Sachen. Es müssen Songs geschrieben werden. Es ist also soviel hinter der Kulisse zu tun und irgendwann füllt das vielleicht auch das Leben nicht mehr aus, weil du keine Zeit mehr hast ein Privatleben zu haben oder auch mal mit der Freundin in der Sommerurlaubszeit wegzufahren. Das sind dann persönliche Gründe, die einen dazu treiben und dann ist der Weg einfach zu Ende und dann fängt etwas neues bei den Leuten an. Und um das auch mal ehrlich zu sagen, ist es bei vielen auch eine geldliche Frage. Viele sagen dann auch: "Ich verdien dabei einfach nicht genug" und dann sind sie aber auch für uns keine Vollblutmusiker, weil es für die dann eher ist wie Arbeiten gehen. In dem Fall ist es für uns dann auch leichter zu sagen: "da ist es nicht schad drum", denn so jemand hätte uns sowieso nicht weiter gebracht.

Nic:
Du hast das Thema ja schon angesprochen: Ihr seid ja gerade im Mittelalterbereich ein Familienunternehmen und macht wirklich alles alleine. Wie lässt sich denn der Bürokratiehaufen, der in Deutschland automatisch da hinten dran hängt mit dem Spielmannsleben und dem permanent Unterwegs-sein vereinbaren?

Picus:
Man muss das einfach vereinbaren können. Das sind eben genau diese Dinge, die uns auch unter der Woche beschäftigen. Das ist im Grunde genommen, genau einer der Arbeitsbereiche, die gemacht werden müssen. Wir müssen natürlich unsere Steuern zahlen, das muss alles geregelt und in Ordnung sein und das ist viel Arbeit und jeder, der selbstständig ist kann sicher bestätigen wie viel Arbeit das ist.

DesDemonia:
Allein die Buchführung kostet jeden Tag zwei, drei Stunden.

Picus:
Und das ist auch die Sache - weißt du an den Wochenenden auf den Märkten kannst du schön dein Spielmannstum leben und pflegen, aber du solltest es möglichst schnell schaffen, von Sonntag zu Montag wieder ins 21. Jahrundert zurückzukommen, um vernünftig in dieser Gesellschaft arbeiten zu können. Denn wenn du das nicht tust, wirst du irgendwann Probleme bekommen. Da sind Finanzamt oder sowas fast noch die kleineren Übel, aber der Vorteil daran ist eben, dass du gezwungen bist dadurch auch ein bisschen in der Realität zu bleiben. Wenn du da jemanden hättest, der das alles für dich macht und du - so wie sich viele Leute das vorstellen - nach dem Auftritt in die Pferdekutsche steigst und auf deine Burg fährst und dich da um die Ziegen und sonst nichts weiter kümmerst, dann würde man vollkommen den Boden verlieren und in der Gesellschaft nicht mehr klarkommen.

DesDemonia:
Also bei uns ist das so gelaufen - wir sind ja groß geworden in der Mittelalterszene und haben da als Band wirklich alles alleine gemacht - vom Booking bis zum letzten Stück, die CDs und alles. Alles haben wir selbst gemacht. Dann haben wir mit dem Rock angefangen und haben uns dann ins Boot geholt: einen Booker, ein Plattenlabel und tausend Leute, die sonst nocht an uns verdienen wollen und das macht einen sehr mürbe, das muss man echt sagen. Denn im Endeffekt ist die Arbeit, die die uns abnehmen, eigentlich doch nicht abgenommen, denn ich muss immer noch den Auftritt vorbereiten. Ich muss immer noch nochmal bei den Clubs anrufen und alles checken und jeder will sein Stück Kuchen von dem ganzen haben und es bedeutet für uns immer weniger, was wir selber für die ganze Mühe, die wir da reinstecken abkriegen. Das frustriert und ich bin auch sehr, sehr entmystifiziert, was so die ganze Rock-Szene angeht, weil es ist ein knallhartes Geschäft. Es ist wirklich knallhart und da Bestehen zu wollen, das kostet sehr viel Mühe und du musst sehr viel labern und Kompromisse eingehen und verhandeln und Connections aufbauen und Treffen machen, auf die du keinen Bock hast und so. Aber dafür habe ich doch nicht angefangen Musik zu machen. Von Anfang an sind wir immer diejenigen gewesen, die gesagt haben: "Wir wollen einfach Musik machen, auf der Bühne stehen und wir wollen Leute davor haben, und die sollen abtanzen und fertig". Und das ist so ein schwieriger Spagat, den man immer wieder vorgelegt kriegt, wenn man dann hört: "Ja, sie haben aber soundsoviel Vorverkaufszahlen und nur soundsoviel Geld eingenommen und der Break liegt aber bei blablabla und ich krieg meine 20%!"

Nic:
Und zwar dann auch unerheblich davon, was letzten Endes bei rauskommt.

DesDemonia:
Richtig, ganz genau.

Nic:
Ihr habt ja eben schon das 21. Jahrhundert angesprochen, auch Dinge wie das Internet und ich weiß ja, dass du (zu Picus) da auch viele Dinge wie Facebook und Twitter und so betreust. Haltet ihr das Internet im Grunde als neues Medium für einen Segen oder für eine Plage?

DesDemonia:
Na wir leben in einer modernen Welt.

Picus:
Das kann man von zwei Seiten sehen. Ich bin ein Medienmensch, ich hab das gelernt und muss das demzufolge auch von zwei Seiten sehen. Auf der einen Seite ist es natürlich für die Band, das Unternehmen extrem geil, denn Facebook und MySpace und die sozialen Netzwerke sind alles neue Werbekonzepte, die alle nur Arbeitszeit kosten, kein Geld. Das heißt: wenn du das also selber machen kannst, dann kannst du gute Werbemaßnahmen starten und viele Leute erreichen, ohne dafür viel zu bezahlen. Das ist das Gute daran. Du kannst auch gerade bei Facebook, was eine unglaublich schnelle Plattform ist, als Band super mit den Leuten interagieren. Wenn ich mich da einklicke, bin ich immer im Chat drin und wenn dann jemand eine Frage hat bezüglich der Band, dann kommt das direkt bei mir an und ich kann sie sofort beantworten. Darin liegt aber auch wieder der Fluch, denn du hast im Grunde genommen nie richtig Feierabend. Das sind so Automatismen, die sich einschleichen. Du kommst gerade nach Hause, warst mit dem Hund Gassi, machst den Rechner an und guckst Facebook an. Und nach einer halben Stunde überlegst du dir: "Was machst du jetzt hier eigentlich?" Und für Leute, die dann nicht in einer Band sind oder so, ich finde das einfach sehr viel Zeit und es läuft viel, zuviel soziale Kommunikation über diese virtuellen Plattformen. Ich hab da ganz schreckliche Szenarien vor mir, dass wir irgendwann in 20 oder 30 Jahren überhaupt nicht mehr mit dem Arsch vom Rechner wegkommen, denn "Was muss ich rausgehen und mir Freunde suchen - Ich hab auf Facebook 500!" Dann hast du eine Flut von Informationen über diese 500 Leute, die du eigentlich gar nicht so richtig kennst als Freund. Da steht dann "Ich war heut da und da und hab das und das gemacht. Und jetzt gerade bin ich ..."

DesDemonia:
Ich finde, man entblößt sich und sein Leben auch sehr auf diesen ganzen Internetseiten, weil man einfach auch sehr viel von sich preisgibt. Jeder kennt dein Geburtsdatum, jeder weiß in welcher Region du wohnst, jeder kennt deine Emailadresse. All diese Dinge, die sonst nicht selbstverständlich waren, werden auf einmal öffentlich gemacht. Das ist für mich alarmierend, denn dann kann ich ja auch gleich meine Kontoverbindung offenlegen.

Nic:
Vielleicht überweist dir dann ja jemand was!

DesDemonia:
Ja, stimmt. Das wär dann ja wieder positiv! (lacht) Aber das sind auch so Sachen, bei denen Dextro und ich, wir sind ja auch schon die ältere Generation, auch immer im Zwist sind mit den Jüngeren in unserer Band, die diese ganzen Medien auch sehr intensiv nutzen. Und deshalb meine ich auch, dass man das von beiden Seiten sehen und dann mit den Dingen auch vorsichtig umgehen muss, sodass sie einem auch nicht schaden.

Picus:
Im Grunde ist es auch so, dass die User auch gar nicht merken, wie sehr sie sich und ihre Privatsphäre auch immer mehr einschnüren und reduzieren. Denn in dem Moment, wo du auf Facebook postest: "Ich war da und da." hast du schon wieder dafür gesorgt, dass deine Privatsphäre immer kleiner wird und je mehr du das machst, um so kleiner wird sie, bis du irgendwann vollkommen durchsichtig bist. Und das ist eben auch die Sache. Ich nutze diese Dinge sehr, sehr intensiv - auch wegen der Band natürlich, aber jeder, der auf mein privates Profil geht, wird sehen, dass er da weder private Fotos findet, noch private Informationen. Ich halte mich da frei davon, denn die Dinge, von denen ich meine, dass sie niemanden etwas angehen, die stelle ich da auch nicht ein. Aber ich sehe das Problem eben bei Leuten, die schon jünger sind als ich - die 20 sind oder meinetwegen 16 oder 17, die einfach alles da reinschütten und am Ende gar nicht merken, dass sie für alle Leute durchschaubar sind, auch für Menschen, die sie nicht erreichen wollten. Dasselbe Problem hat man ja bei diesen Bewerbungssachen, der mögliche neue Chef klickt sich da ein und sieht auf Facebook, wie du mit einer Prosecco-Flasche besoffen auf der Strasse liegst. Super, selbst schuld.

Nic:
Den meisten ist ja auch nicht bewusst, dass die Dinge nicht durch Löschen verschwinden, sondern im Grunde auf ewig konserviert werden im Internet.

DesDemonia:
Ja, man sollte das einfach vorsichtig nutzen und aufpassen, dass man dadurch nicht irgendwie zu einem Opfer seiner selbst wird.


"An den Wochenenden auf den Märkten kannst du schön dein Spielmannstum leben und pflegen, aber du solltest es möglichst schnell schaffen, von Sonntag zu Montag wieder ins 21. Jahrundert zurückzukommen."

Nic:
Ganz anderes Thema. Auf den Touren, Festivals und Märkten habt ihr ja ständig Kontakt zu anderen Bands. Zu welcher habt ihr einen besonders guten Draht und wo wäre eine musikalische Zusammenarbeit vorstellbar?

DesDemonia:
Sagen wir mal so: Mit den Bands, mit denen wir bereits musikalisch zusammen gearbeitet haben, da können wir uns das gut vorstellen. Mit allen anderen kam es einfach nie zur Sprache, weil es auch sehr schwierig ist, wenn man eine Band trifft, dazu etwas zu sagen. Es gibt auch noch einige andere, mit denen man sich das vorstellen kann, aber das sind dann eher so Bands, die man sonst so nicht trifft. Also mit mir bekannten Bands würde ich nur mit Saor Patrol vielleicht was gerne machen.

Nic:
Ansonsten irgendwelche ganz berühmten Bands oder Solo-Künstler, die so ein Traum wären?

DesDemonia:
Ach weißt du, das ist immer so eine Frage. Ja oder nein? Magst du die, oder magst du die nicht? So ein Blümchenrupfen ... (lacht)

Picus:
Ich glaube Dextro würde gern was mit den Typen von Led Zeppelin machen, aber ob er das dann so zugeben würde ... (alles lacht)

DesDemonia:
Ja also Dextro würde zum Beispiel gerne was mit Robert Plant oder Jimmy Page zusammen machen oder irgendwie in der Richtung ... du würdest gerne mit (dreht sich zu Picus) ...

Picus:
Ich würde gerne mit ...

Nic:
Lady Gaga, komm spucks aus!

Picus:
Nee, also .. seit Alejandro hat die bei mir total verschissen! (lacht)

DesDemonia:
Das wär doch sicher etwas trommel-mäßiges, oder? Weißt du, wir waren zum Beispiel in Italien und in Italien gab es dort sehr, sehr viele verschiedene Bands. Das war jetzt kein Mittelaltermarkt, sondern das war mehr so eine Veranstaltung, da gabs Bands aus allen Teilen der Welt.

Nic:
... da hattet ihr ein bisschen Probleme mit dem Pfaffen, hab ich gelesen ...

DesDemonia:
... ah, du kennst die Geschichte ! (Genaueres findet sich hier.)

Nic:
Ein bisschen, ja.

DesDemonia:
Zum Beispiel da hatte er jemanden getroffen, der ihm trommelmäßig echt imponiert hat.

Picus:
Ja, das war jetzt keine Band oder so, aber das sind Leute, mit denen man gern etwas machen würde, um für sich etwas rauszusaugen. So nach dem Motto "Zeig mir was oder bring mir was bei und im Gegenzug bringe ich dir etwas bei." Sowas ist schon cool, aber sowas kann man jetzt nicht auf berühmte Personen oder so reduzieren. Es gibt wahrscheinlich jede Menge Musiker, mit denen man gern mal zusammenarbeiten würde, aber meistens kennt man die gar nicht, die begegnen einem irgendwann einfach mal. Allerdings ist man dann meistens schon mitten in einer Jam-Session drin und macht bereits etwas.

DesDemonia:
Also ich würde mich da ungern auf irgendwelche Namen festlegen lassen. Das ist immer so eine Frage, die ist so utopisch. Da rede ich doch lieber über das, was wirklich ist. (lacht)

Nic:
Vielleicht hast du aber ja den Traum mal mit Madonna zu Vogue zu tanzen ... das sollten dann aber alle erfahren!

Picus:
Ich hab eher den Traum, dass Madonna mal für uns tanzt! *lacht*

Nic:
Ok, dann noch eine Frage auch aus ganz persönlichem Interesse. Ich hab Ende letzten Jahres gelesen, dass ihr im Duisburger Pulp zum Rittermahl für die musikalische Untermalung sorgt.

Picus:
Ja!

Nic:
Ich weiß, dass ihr auch für das nächste Jahr wieder einen Termin habt, denn im letzten Jahr war es zu kurzfristig und der Termin bereits ausgebucht. Macht ihr das schon länger jedes Jahr einen Termin?

DesDemonia:
Ja.

Nic:
Ok, was hab ich denn verpasst und warum muss ich nächstes Mal unbedingt da sein?

DesDemonia:
Es gibt tolles Essen! (lacht)

Nic:
Das kann doch nicht der einzige Grund sein!

Picus:
Du verpasst nicht nur tolles Essen, sondern auch jede Menge Spaß. Denn dadurch, dass wir an diesem Abend sehr, sehr oft spielen, aber immer nur sehr kurz lassen wir uns auch immer Geschichten einfallen. Es kann also auch gut sein, dass wir länger da sind, aber dennoch kein einziges Lied spielen, sondern etwas anderes machen, was auf einem Mittelaltermarkt nicht möglich wäre.

DesDemonia:
Es ist das Bankett-Programm mit der Handwaschung und Giftprobe ...

Picus:
... es werden Märchen erzählt ...

DesDemonia:
... und wir haben schöne Unterstützung. Da ist eine nette Tänzerin dabei, die Yasmena, mit der wir schon sehr lange befreundet sind durch Satzvey damals. Dann ist auch JuxArt dabei, die machen sehr schöne Akrobatik und Clownerie - also das ist ein rundum lustiges Teil einfach!

Nic:
Ich sehe, ich hab was verpasst und muss das nachholen! Ich bin damit schon am Ende. Die letzten Worte gehören natürlich euch ...

DesDemonia:
Da sind wir sprachlos!

Picus:
Stürzt das Establishment!

DesDemonia:
Also jetzt sag ich gar nix mehr! (alles lacht) Viva La Revolution! Ist das für einen Radiosender?

Nic:
Nein, ein Online-Magazin.

DesDemonia:
(lehnt sich nach vorn und ruft ins Diktiergerät) Wir grüßen alle unseren lieben Fans! Vielleicht kommt ihr ja nach Bonn!

Picus:
Das wird nicht live übertragen! Das hat sie gerade gesagt!

DesDemonia:
Achso! (alles lacht schallend durcheinander)

Nic:
... aber ich schreib das sehr lebensnah auf!

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Art des Interviews: face2face
11/28/10 by Brummelhexe
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