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Wie es so oft mit Email-Interviews der Fall ist, mussten wir auch auf die Antworten von "Schrottgrenze" ein paar Wochen warten. Macht aber nix, es geht ja nicht darum ob ein Interview schnell zurück kommt, sondern darum ob Fragen und Antworten gut und interessant sind. Ob ihr dieses Interview mit Alex von "Schrottgrenze" interessant findet sei euch natürlich selbst überlassen... Ich finde, das Warten hat sich gelohnt. ;)
Otti:
Ich gehe jetzt erst einmal davon aus, daß unsere Leser euch kaum oder gar nicht kennen. Euere Wurzeln liegen sicher im Punk, und der Name "Schrottgrenze" provoziert natürlich Assoziationen mit klassischem Deutschpunk. Hört man aber euere Musik spürt man, dass ihr euch über die Jahre weiterentwickelt habt. Wie würdet ihr diese Entwicklung selbst beschreiben? Seht ihr euch auch heute noch als Punkband?
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"Unaufdringliche Musik finde ich toll, ich wollte unbedingt, dass unser Album eine gewisse Distanz gewährt."
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Alex:
Kommt drauf an welche Bedeutung der Begriff Punk für dich hat. Heutzutage meint Punk für die meisten den Musikstil und nein, da passen wir wohl nicht mehr 100%-ig in die Sparte. Da wir ja auch mittlerweile Platten verkaufen und bei einem größeren Label sind, haben wir es uns wohl mit der Szene verscherzt. Aber wenn wir auf diesem Wege scheitern sollten, werden wir die nächsten 10 Jahre darauf verwenden die Straße mit schmissigen Tunes und true-en Aussagen zurückzuerobern. So wie Normahl heutzutage.
Otti:
Und welche Bands haben euch geprägt? Was hört ihr selbst für Musik?
Alex:
Viele. Früher Nirvana, Ramones, Slime, Die Goldenen Zitronen. Dann später viel Indie-PunkRock-Zeux aus D, UK und USA. Und heute noch viel mehr von allem, Rock (TSOOL, Secret Machines), Electronic (von Tangerine Dream bis Oval), alter und neuer Indie, deutsch- und englischsprachig. Jazz, Blues, Pop eigentlich alles was uns so in die Hände kommt.
Otti:
Wie würdet ihr das Lebensgefühl "Schrottgrenze" beschreiben?
Alex:
Gute Frage. Wir sind recht zufriedene Endzwanziger, die eigentlich ein angenehmes Leben führen: zwar relativ wenig Geld, dafür viel Musik, Konzerte, Reisen, Menschen und Abenteuer.
Otti:
Und wie sieht ein typischer Tag im Leben eines Schrottgrenzlers aus?
Alex:
Ich kann da nur für mich sprechen. Wir wohnen ja teilweise in verschiedenen Städten heutzutage und da weiß ich gar nicht so genau, was die anderen so unter der Woche treiben, wenn wir nicht proben. Das ist das kleine bisschen Spannung, was wir brauchen, um so lange zusammenzubleiben. Ich stehe mittags auf, spiele 2 Stunden Gitarre, schreibe Lieder, oder bastele am Rechner Geräuschmusik. Dann gehe ich meist ins Fitnessstudio oder Platten bzw. Essen einkaufen und abends dann oft auf ein Konzert, zu Freunden oder ins Kino. Was anderes mache ich selten, aber ich finde es gut so.
Otti:
Spielt Politik eine wichtige Rolle in euerer Musik und in euerem Leben?
Alex:
In unseren Texten ist Politik eigentlich erst seit ein, zwei Jahren immer mal wieder ein offenkundiger Aspekt, abgesehen mal von den eher Plakativen Texten unserer ersten Demos. Aber privat war Politik immer ein präsentes Thema bei uns. Wenn man halbwegs aktiv durch die Gegend lebt, egal ob als Punk, Künstler, Student oder whatever, bleibt die Konfrontation damit ja eh nicht aus. Ich gehe allerdings bei SG eher sparsam damit um, da ich einerseits selten was zu sagen habe, was meiner Ansicht nach nicht schon hinreichend und besser formuliert wurde, und andererseits versuchen wir sowas immer n bisschen geschickt in alltagskulturelle Kontexte zu verpacken, wie z.B. bei Tracks wie ‚Hellwach´ oder ‚Am gleichen Meer´. Ich brauche immer recht lange bis ich so was rausgebe, aber davon wird´s in Zukunft bestimmt noch mehr geben.
Otti:
Ihr seid/wart ja jetzt auch auf Tour. Wie sieht euer Publikum aus? Und was für ein Gefühl ist es für euch, auf der Bühne zu stehen? Hat sich da im Laufe der Jahre viel geändert?
Alex:
Das Publikum ist zahlreicher als früher und das freut uns natürlich. Ansonsten ist es nach wie vor ein gutes und unverzichtbares Gefühl, live zu spielen. Ich finde es sogar noch besser als früher. Am Anfang war ich immer so aufgeregt, dass ich kaum was von Gig mitbekommen habe, vor lauter Nervosität. Mittlerweile legt sich das immer nach zwei, drei Songs, und dann kann ich die Atmosphäre richtig genießen.
Otti:
Wenn ihr die vollkommen freie Wahl hättet, mit wem würdet ihr gerne mal auf Tour gehen? Ich mein damit auch Bands die sich bereits aufgelöst haben.
Alex:
Da wären neben vielen anderen Mutter, EA80, Grifters, Guided by Voices, Sonic Youth, The Cure, (die frühen) R.E.M. u.v.a., Rolling Stones, Kraftwerk…
Otti:
Vor kurzem ist euer neuestes Album Château erschienen, welches ich auch rezensiert habe. Entgegen all meiner Erwartungen ist das Album durchgehend ruhig und geprägt von einer tiefen, aber unaufdringlichen Melancholie. Ist das beabsichtigt? Habt ihr das Album mit einem gewissen Ziel entwickelt, oder wodurch ist es geprägt?
Alex:
Melancholie steckte ja schon immer in unseren Songs. Unaufdringliche Musik finde ich toll, ich wollte unbedingt, dass unser Album eine gewisse Distanz gewährt. Ich mag es nicht wenn ich ne Platte anmache, die einen aus den Boxen anspringt, da habe ich keinen Bock mehr drauf. Musik darf ruhig etwas Ambientöses haben, so dass man sich wirklich darauf konzentrieren und länger zuhören kann.
Otti:
Von der Stimmung her wirkt die Scheibe auf mich wie z.B. Razzia und Fliehende Stürme, wenn auch der Stil vollkommen anders ist. Aber diese düstere Grundstimmung ist vorhanden, die Brücke zum Gothic liegt nahe. Habt ihr einen Bezug zu dieser Szene, und zu den genannten etwas düstereren Punkbands?
Alex:
Ja. Die ‚Tag ohne Schatten´ von Razzia höre ich bis heute gerne. Chaos-Z und die frühen Fliehende Stürme find ich auch gut. Ansonsten hab ich seit jeher gerne mal in der Richtung Sachen gehört, so Cure, EA80, Associates, Siouxsie & the Banshees, Bauhaus, Joy Division u.a. Mit dem ‚aktuelleren´ Gothic-Sound hat niemand von uns Erfahrung, aber die alten britischen Bands finde ich großartig.
Otti:
Mein persönlicher Favorit vom Album ist derzeit "Kongress". Vielleicht auch, weil die simple Aufzählung im Text viel Interpretationsspielrum lässt. Ich frage mich aber was ihr mit dem Song ausdrücken wollt?
Alex:
Ich habe den Text auf einem Kongress geschrieben, als ich mich während eines Vortrags gelangweilt hab. Der von dir erwähnte Interpretationsspielraum ist natürlich beabsichtigt und wenn ich jetzt ins Detail gehe und jeden Begriff aus meiner Sicht erläutere, dann würde ich den gewonnenen Spielraum ja zerstören. Das fände ich nicht gut. Interessanter fände ich deine eigene Interpretation? Aber hauptsächlich liegt dem Langeweile zugrunde. Wie so vielen unserer Songs, he, he
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Otti:
Ihr habt mal versucht unter einem anderen Namen, "Fingers" was neues zu versuchen. Mit niemandem anderen als Rod von den Ärzten als Produzent. Die geplante EP ist aber nie erschienen. Wo lag das Problem?
Alex:
Das Projekt bestand aus einer anderen Besetzung. Wir hatten einen anderen Bassisten und Schlagzeuger. Das hat auf persönlicher Ebene nicht harmoniert. Da gab es innerhalb kürzester Zeit zahlreiche persönliche und musikalische Schwierigkeiten. Die EP, die Rod produziert hat fanden wir vom Sound her schlichtweg peinlich und deshalb haben wir sie nicht rausgebracht.
Otti:
Ich habe gelesen, dass sich Alex und Timo zum Beispiel auch auf den Chaostagen ´94 in Hannover rumgetrieben habt, genau wie ich, und auch im selben Alter sein dürften. Wie blickt ihr auf diese Zeit zurück, die Punkszene der 90er? Die großen Treffen und Konzerte?
Alex:
Für uns war es damals total aufregend. Wir haben das in dem Alter ziemlich unkritisch erlebt und waren froh über die Konzerte wie z.B. Boskops auf dem Fährmannsfest oder Public Toys in der Sprengel. Die Band fanden wir damals klasse, und von daher war dieser Riesen-Punk-Auflauf für uns eines der ersten großen subkulturellen Happenings. Das Einzige was uns seinerzeit schon negativ aufgefallen ist, war das sich ein Großteil der Leute einfach nur sinnlos und destruktiv weggedröhnt hat. Einige unserer Bekannten waren schon ein, zwei Jahre später in einem völlig desolaten, unreparierbaren Geisteszustand, und spätestens da merkten auch wir Kleinstadt-Kiddies, dass die Bewegung längst am Ende und nicht viel mehr als ein Frustsauf-Treff war.
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Otti:
Wenn ihr heute 15 wärt, wie würdet ihr die Welt sehen? Meint ihr euer Leben würde ähnlich laufen?
Alex:
Eine sehr interessante, aber auch schwierige Frage. Ich gehe hier mal nur auf das musikalische ein, darüber kam zumindest bei uns dann auch alles mögliche Andere (Band, Freunde, Punk etc). Ich weiß es natürlich nicht genau, aber ich könnte mir vorstellen das es vielleicht doch ähnlich verlaufen würde. Wir kannten zuerst aus dem Radio den ganzen Grunge-Kram und in Peine gab es dann ältere Leute, die schon größere Plattensammlungen hatten, und uns dann Kassetten von weiterführenden Sachen aufgenommen haben. In der heutigen Zeit wären das wohl eher MP3s, aber das Wesentliche, die spezielle Musik würde uns bestimmt dennoch gefallen und erreichen. ‚Schrott´ gab es ja auch schon Anfang der Neunziger in Hülle und Fülle und entweder man separiert sich davon in seiner musikalischen Sozialisation oder eben nicht. (Sind eh alles sehr subjektive Erkenntnisse). Das einzige was ich früher tatsächlich besser fand ist, dass es schwieriger war an Infos und Tonträger zu kommen. Heutzutage genügen ein paar Clicks und man hat alle Infos einer Band und bekommt fast jede Aufnahme via Amazon. Das ist natürlich toll und praktisch, aber es entzaubert auch vieles. Manche Alben hatten für mich längst eine mystische Aura, wenn ich sie nach Jahren in einem Mailorder oder zufällig in einem Store in einer anderen Stadt entdeckte und endlich hören konnte. Aber das ist Nostalgie-Gelaber.
Otti:
Alles hat mal ein Ende, auch ein Email-Interview. Was würdet ihr niemals als Schlusswort bei einem Interview von euch geben?
Alex:
Sieg Heil z.B. fände ich ziemlich bekloppt.
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"...und spätestens da merkten auch wir Kleinstadt-Kiddies, dass die Bewegung längst am Ende und nicht viel mehr als ein Frustsauf-Treff war."
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